Zukunftsforscher: "Gemeinden ohne junge Frauen sind tot"

Erstellt am 15. Oktober 2021 | 18:12
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Sprachen vor Gemeindevertretern in der Stadthalle Ybbs (von links): LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf, Kristina Sprenger und Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner.
Foto: NLK Filzwieser
Am 10. Energie- und Umwelt-Gemeindetag der eNu in Ybbs (Bezirk Melk) informierten sich 800 Gemeindevertreter über Klimaschutz und Energiewende. Zum runden Jubiläum der Energie- und Umweltagentur sprachen "Mr. Klimaschutz" Stephan Pernkopf, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und EU-Politiker Othmar Karas über Erreichtes, Notwendiges und Neues in Sachen Klimaschutz und Energiewende in NÖ. Außerdem wurden neue und alte "e5"-Gemeinden prämiert und Zukunftsforscher Andreas Reiter gab Dörfer Tipps für die Zukunft.
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„Wenn Sie keine jungen Frauen am Land haben, dann sind Sie tot!“, schmetterte der Zukunftsforscher Andreas Reiter in seiner Keynote "Dorf der Zukunft" an rund 800 Gemeindevertreter im Stadtsaal Ybbs. Anlassfall und Rahmen für Reiters Keynote war der 10. Energie- und Umwelt-Gemeindetag der Energie- und Umweltagentur NÖ (eNu) in Ybbs. Die Gemeinde-Chefs, Umwelträte und Energiebeauftragten tauschten sich in Workshops über Best Practices der Klima- und Energiewende aus, begutachteten e-Vehikel und Klimaschutz-Dienstleistungen von Firmenausstellern und wurden in den Kreis der "Energie-Vorbildgemeinden" (e5-Programm) erstmals aufgenommen bzw. für mit "e"s für ihre Leistungen prämiert.

NÖ im Klimaschutz "Vorbild für Österreich und Europa"

„Wir sind Vorbild in Österreich, Europa und darüber hinaus", lobte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner den Vorsprung Niederösterreichs in Sachen Klimaschutz und Energiewende. Niederösterreich habe als erstes Bundesland 2007 den Klimaschutz in der Landesverfassung verankert. Meilensteine wie der Kohlestrom-Ausstieg (2019), die 100 prozentige Ökostrom-Versorgung des Landes (seit 2015) oder die 200 derzeit in Gründung befindlichen Energiegemeinschaften seien Gründe, um "stolz zu sein" auf das Erreichte.

10. Energie- und Umwelt Gemeindetag eNU
Beim Energie- und Umweltgemeindetag in Ybbs (von links): eNu-Geschäftsführer Herbert Greisberger, Zukunftsforscher Andreas Reiter, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf und Othmar Karas, Vizepräsident des Europäischen Parlaments.
Foto: NLK Filzwieser

"Diese Erfolgsgeschichte schreit nach Fortsetzung mit den Gemeinden und Bürgerinnen und Bürger", sagt Mikl-Leitner. Im Zuge der Entwicklung der neuen Landesstrategie 2030 soll die Bevölkerung via Fragebögen auch zu Energie- und Umweltthemen um ihre Meinung, Ideen und Herausforderungen befragt werden. Ende Oktober sollten die Fragebögen in den Haushalten einlangen.

Pernkopf begründete die eNu im Jahr 2011

Als "Mr. Klimaschutz" bezeichnete Moderatorin Kristina Sprenger den Landesvize Stephan Pernkopf. Als zuständiger Umweltlandesrat habe er vor zehn Jahren die eNu ins Leben gerufen, Weitblick bewiesen und sei so maßgeblich für den Vorsprung Niederösterreichs in der Energie- und Klimawende mitverantwortlich, konstatierten eNu-Chef Herbert Greisberger und Landeshauptfrau Mikl-Leitner. "Die ländliche Region ist der Gewinner der Pandemie geworden", sagt Pernkopf. Ein Haus im Grünen sei jetzt ein "Lotto-Sechser" und die Energiewende sei eine Chance, damit die Wertschöpfung in der Region bleibe. Das gelinge auch. "Durch das EAG wurde ein Investitionszuschuss von 550 Millionen Euro für Projekte in NÖ ausgelöst", sagt Pernkopf. Als weitere Erfolgsmomente hebt Pernkopf die jüngst beschlossene Einführung des Einwegpfands und die Rekordzulassungen bei E-Autos in NÖ hervor. "Wir haben bundesweit die meisten Elektrofahrzeuge. Und im August sind mehr E-Autos als Dieselautos gekauft worden", so Pernkopf. Norwegen sei hier das große Vorbild, wo bereits 75 Prozent aller Neuzulassungen E-Autos sind.

Europäischen Klimaschutz beginnt konkret in Gemeinden

Auch der gebürtiger Ybbser und EU-Parlamentarier Othmar Karas wohnte dem Gemeindetag bei. "Die Klimaneutralität schafft Europa nur, wenn wir in den Gemeinden beginnen und wenn wir Überschriften mit Praxis füllen, zu Vorreitern werden und konkrete Ideen umsetzen", sagte Karas. Die Bezeichnung "eNu" finde er "wunderschön", weil er die Europäische Union und NÖ verbinde.

Zukunftsdorf ist "smart, digital, regenerativ und kollaborativ"

Für den Tiroler Zukunftsforscher Andreas Reiter sei das "Dorf der Zukunft" im Jahr 2030 jedenfalls "smart, digital, regenerativ und kollaborativ". Besonders junge, talentierte Menschen würden über die Zukunft eines Standorts entscheiden. Junge seien achtsam und smart. Die Digitalisierung, Dekarbonisierung und der demografische Wandel seien jedenfalls Teil eines größeren Wandels dem die Gemeinden ausgesetzt sind. "Alles was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert", ist Reiter überzeugt und betont, dass die Digitalisierung die Attraktivität des ländlichen Raums erhöht. Den anwesenden Gemeindevertretern legte Reiter nahe, die "Intelligenz und Kraft der Bürger" zu nützen. Die entscheidenden Player seien hier die "Bürger, Behörden, Betriebe und Besucher". Es gelte sowohl 8- als auch 80-Jährigen Lebensqualität anzubieten.

Die Gemeinden Waidhofen a. d. Ybbs, Tattendorf (Baden), Gänserndorf, Gumpoldskirchen (Mödling), Brunn am Gebirge (Mödling) und Purkersdorf (St. Pölten-Land) sind im Rahmen des Klima-Gemeindetags 2021 erstmals dem e5-Programm beigetreten. Die Gemeinden Kaumberg (Lilienfeld), Sigmundsherberg (Horn) und Traismauer (St. Pölten-Land) wurden mit zwei "e"s prämiert, Hollabrunn, Aschbach-Markt (Amstetten), Absdorf (Tulln) und Lassee (Gänserndorf) erreichten eine drei "e"s-Auszeichnung und vier "e"s schafften die Orte Allhartsberg (Amstetten), Ober-Grafendorf (St. Pölten-Land) und Tulln.