Der lange Weg zurück ins Arbeitsleben: „Es kann jeden treffen“

Erstellt am 12. Oktober 2021 | 09:22
Lesezeit: 3 Min
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr
Werbung
Nach fünf Jahren ohne Job findet Georg K. über das Mostviertler Männerberatungszentrum Stück für Stück zurück in das Arbeitsleben.

Mit beiden Beinen stand Georg K. im Leben - bis er durch einen schweren Arbeitsunfall als Dachdecker 50 Prozent seiner Erwerbsfähigkeit verlor. Georg, der lieber anonym bleiben will und in Wirklichkeit anders heißt, hat sich im Anschluss an die aufwendige Rehabilitation zum Optiker umschulen lassen. Kurz nach seinem Wiedereinstieg ins Berufsleben folgte bereits der nächste Schicksalsschlag: Durch den Tod seiner Frau wird Georg K. zum Alleinerzieher von drei minderjährigen Kindern.

Die psychischen Belastungen und die Verbitterungsreaktionen, die dieses Unglück hervorriefen, treiben ihn im Sommer 2016 in die Arbeitslosigkeit. „Jeden Tag muss ich mich fragen, wer denn heute wieder meinen Sohn von der Schule abholt“, erklärt er die Schwierigkeiten in der Jobsuche.

Fast fünf Jahre später empfiehlt das AMS Georg K. die Teilnahme am Programm des Mostviertler Männerberatungszentrums (MBZ). „In der Vermittlungsarbeit tauchen Hindernisse auf, die wir in den Beratungen mit unseren Ressourcen nicht lösen können“, sagt AMS-Landesgeschäftsführer Sven Hergovich.

Langzeitarbeitslosigkeit ist oft mit anderen Problemen verquickt, wie Schulden, gesundheitliche und psychische Probleme, Suchtverhalten oder fehlende digitale Kompetenzen. Das erschwert den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt, so Hergovich. „Es kann jeden treffen“, sagt MBZ-Projektleiter Leopold Kaiblinger. Erst wenn diese „Problemcocktails“ gelöst sind, könne man mit der Entwicklung einer Zukunftsperspektive beginnen.

Finanzen, Konflikte und Selbstmanagement

Seit April 2020 haben 458 jobsuchende Männer im MBZ jeweils 24 Wochen lang Einzel- und Gruppenberatungen absolviert. Themen wie Selbstmanagement, Konflikte konstruktiv lösen, Finanzen nachhaltig sanieren und das Bewerbungsverhalten verbessern stehen auf dem Programm.

Zusätzlich setzen Kaiblinger und sein Team auf virtuelle Kommunikation. „Die Männer brauchen digitale Kompetenzen, um am Arbeitsmarkt bestehen zu können. Von uns bekommen sie Smartphones und lernen den Umgang mit technischen Geräten“. Wie zum Beispiel mit dem 1,2 Meter großen, sprechenden Roboter namens „JobSepp“. Diese weiße Tech-Plaudertasche begrüßt die Männer am Eingang und spricht mit ihnen über ihren Arbeitsfortschritt.

Das Youtube-Video wird nicht angezeigt, möglicherweise liegt keine Zustimmung zum Setzen von Marketing-Cookies vor. Sie können Ihre Einstellungen hier ändern.

58 Prozent der Männer sind drei Monate nach Programmende entweder berufstätig oder in einem weiterführenden AMS-Schulungsprogramm. Für ein Drittel verändert sich die Lebensituation deutlich. Gemessen an den Hürden beim Einstieg ins Berufsleben sei diese Integrationsquote ein „ausgezeichneter Erfolg“, sagt Hergovich. Daher fördert das AMS bis Jahresende das MBZ mit 615.000 Euro.

Auch bei Georg K. wurden inzwischen die Weichen zurück ins Erwerbsleben gestellt. Neben einem berufsbegleitenden Studium ist er über das Programm „Jobchance“ in seiner Heimatgemeinde tätig und wird für eine Jobübernahme im Bürgerbüro eingeschult.