St. Pöltner Finanzprofi: „Sparer müssen sich noch keine Sorgen machen“

Erstellt am 18. März 2023 | 12:03
Lesezeit: 6 Min
SVB bank
Die auf Start-up-Finanzierung spezialisierte US-Bank "SVB" wurde nach einer gescheiterten Notkapitalerhöhung vorübergehend geschlossen und unter staatliche Kontrolle gestellt.
Foto: Unsplash, Mariia Shalabaieva
Die Furcht vor einer neuen Finanzkrise hat nach den zwei US-Bankpleiten und den Schwierigkeiten der Schweizer Credit Suisse an den Börsen heftige Turbulenzen ausgelöst. Für NÖ-Sparer gibt der St. Pöltner Finanzanalyst Werner Schmitzer von Raiffeisen Research Entwarnung und erklärt, wie hierzulande solche Bankencrashes „stark eingedämmt“ werden und warum heimische Banken derzeit massive Geldreserven besitzen. Trotz der Turbulenzen hob indies die EZB im Kampf gegen die Teuerung den Leitzins auf 3,5 Prozent.
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Die Furcht vor einer neuen Bankenkrise hatte in den vergangenen Tagen an den Börsen heftige Turbulenzen ausgelöst. Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) und der New Yorker Signature Bank in den USA hat den Bankensektor an den US- und europäischen Börsenplätzen nach unten gezogen.

Der St. Pöltner Werner Schmitzer, Analyst bei Raiffeisen Research der RBI, sieht vor allem Missmanagement bei der SVB selbst und die steigenden Zinsen als Gründe für den Crash. „Derartige hohe Zinsanstiege wie in den letzten Monaten nach knapp 12 Jahren Nullzinspolitik müssen zwangsweise ihre Spuren hinterlassen“, sagt Schmitzer im Gespräch mit der NÖN.

Werner Schmitzer
Der St. Pöltner Werner Schmitzer ist Senior Finanzanalyst bei Raiffeisen Research der Raiffeisen Bank International AG.
Foto: privat

Warum ging die Silicon Valley Bank pleite

Die auf Start-up-Finanzierung spezialisierte SVB wurde nach einer gescheiterten Notkapitalerhöhung vorübergehend geschlossen und unter staatliche Kontrolle gestellt. Zu den Kunden der maroden Bank zählten Angestellte der Tech-Industrie und Unternehmen, die von Risikokapital gestützt werden.

Die SVB habe zu viele Einlagen mit vermeintlich sicheren US-Staatsanleihen abgesichert, erklärt Schmitzer. Deren Wert sei aber wegen steigender Zinsen, die auch jenseits des Atlantiks in letzter Zeit kräftig angehoben wurden, gesunken. Eine Notkapitalerhöhung für frisches Geld wäre nötig gewesen. Die scheiterte jedoch. "Als klar wurde, dass eine Kapitalerhöhung nicht möglich war, haben die Kunden fluchtartig ihre Einlagen abgezogen und die Bank in die Knien gezwungen“, sagt Schmitzer. An nur einem Tag wurden 40 Milliarden von 200 Milliarden Dollar der Gesamtbilanzsumme der SVB durch ihre Kunden abgezogen.

Für den österreichischen Bankensektor sehe ich keine großartige Gefahr. Österreichische Sparer müssen sich noch keine Sorgen machen. Werner Schmitzer, Senior Analyst bei Raiffeisen Research der RBI

Die Schockwelle schwappte auch nach Europa über: die Credit Suisse, die zweitgrößte Bank der Schweiz, fachte die Unruhe an den Finanzmärkten erneut an. Die Credit Suisse erhält nun maßgeschneiderte Hilfe von der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Das Institut will bei der SNB Kredite über bis zu 50 Milliarden Franken aufnehmen.

Einlagen bis 100.000 Euro sind pro Bank und Person gesichert

Das Risiko, das auch österreichische Banken ins Strudeln geraten, halte sich in Grenzen, sagt der RBI-Analyst. „Für den österreichischen Bankensektor sehe ich keine großartige Gefahr. Die ist stark eingedämmt. Österreichische Sparer müssen sich noch keine Sorgen machen.“

Buchverluste gebe es zwar durch den aktuellen US-Bankencrash auch in Europa, aber nicht in diesem Ausmaß. Das liege auch an der Einlagenstruktur europäischer Banken. „Sie haben weniger Start-ups in den Einlagen. Auf EU-Ebene kommen 72 Prozent der Einlagen von Kleinanlegern und nicht von Großkunden wie Hedgefonds oder Venture Capital-Gebern“, erklärt Schmitzer. Außerdem sichere hierzulande die gesetzliche Einlagenversicherung Bankguthaben bei Privatbanken, Volksbanken und Hypobanken bis zu 100.000 Euro pro Person und Bank ab. Das letzte Mal, als diese gebraucht wurde, war im Falle der russischen Sberbank Europe AG im Frühjahr 2022.

Zudem sei in Europa und Österreich die Bankenaufsicht etwas strenger. Jede Bank, die eine Bilanzsumme über 30 Milliarden Euro aufweist, fällt unter die Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB). „In Amerika liegt diese Kontrollschranke bei 250 Milliarden“, sagt Schmitzer. Die Kontrolle wurde erst kürzlich während der Trump-Administration gelockert.

Banken haben genügend Geld - auch im Fall der Fälle

Auch im unrealistischen Fall eines panischen Laufs auf Bankomaten und Bankstellen, wären die österreichischen und EU-Banken mit genügend Liquidität in Form von Cash vorbereitet. „Ich gehe nicht davon aus, dass ganz Niederösterreich zur lokalen Raika, Sparkasse oder Volksbank rennt, um die Einlagen abzuziehen“, sagt Schmitzer. Die Banken haben in der Vergangenheit sich unter günstigsten Konditionen über die sogenannten TLTRO-Kredite von der EZB Gelder besorgt, um ihre Liquidität zu erhöhen. „Die Banken sitzen noch auf 1.200 Milliarden Euro, die jetzt peu a peu fällig werden und zurückbezahlt werden müssen.“

Außerdem seien die Bankenpassiva bei hiesigen Banken ganz anders als etwa bei der auf Start-up-Finanzierung spezialisierten SVB. „Eine lokale Raiffeisenbank ist da risikotechnisch ganz wo anders“, sagt Schmitzer. Für solche kleinen, lokalen Banken wäre das schon rein finanziell nicht möglich: „Wenn ein Kredit an ein vermeintlich hochriskantes Unternehmen vergeben wird, muss man als Bank viel mehr Eigenmittel hinterlegen als etwa bei einem Wohnkredit“, erklärt Schmitzer.

EZB in Frankfurt am Main
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren Sitz in Frankfurt.
Foto: dpa, Boris Roessler

EZB erhöht trotz Turbulenzen den Leitzins auf 3,5 Prozent

Die Europäische Zentralbank (EZB) setzt trotz der jüngsten Turbulenzen im Bankensektor ihren Zinserhöhungskurs fort. Sie erhöhte am Donnerstag den Leitzins um 0,5 Punkte auf 3,5 Prozent. Der an den Finanzmärkten richtungsweisende Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt künftig bei 3,00 Prozent.

Die Währungshüter bekräftigten zudem ihre Entschlossenheit, eine zeitnahe Rückkehr der Inflation auf das mittelfristige Zwei-Prozent-Ziel sicherzustellen. "Die erhöhte Unsicherheit verdeutlicht einmal mehr, wie wichtig ein datengestützter Ansatz bei den Leitzinsbeschlüssen des EZB-Rats ist", hieß es weiter.

Für die Europäische Zentralbank war dies daher keine einfache Zinsentscheidung, denn die Euro-Wächter müssen auch die Stabilität des Finanzsystems im Blick halten. Auf der anderen Seite hatten Notenbankchefin Lagarde und andere Währungshüter zuletzt wiederholt die Absicht bekräftigt, im Kampf gegen die hohe Inflation einen erneuten großen Zinsschritt um 0,50 Prozentpunkte zu gehen. Damit stand auch ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel.

Denn die Inflation im Euro-Raum ließ zwar zuletzt leicht nach - sie sank im Februar auf 8,5 Prozent von 8,6 Prozent im Jänner. Doch das Notenbank-Ziel einer Teuerung von 2,0 Prozent liegt damit immer noch weit entfernt. Zudem nahm die Kernrate, in der die schwankungsanfälligen Energie - und Lebensmittelpreise ausgeklammert bleiben, im Februar auf 5,6 Prozent zu nach 5,3 Prozent im Jänner. Das bereitet den Währungshütern Sorgen: Denn dies könnte Hinweise darauf geben, dass der starke Preisschub womöglich noch länger anhält als bisher gedacht.