Strategie-Schmiede: Land NÖ schraubt an NÖ-Wettbewerbsfähigkeit

Erstellt am 01. Juni 2023 | 14:45
Lesezeit: 5 Min
Helmenstein, Ecker, Mikl-Leitner, Salzer
v.l.n.r.: Ökonom Christian Helmenstein vom Economica Institut, WKNÖ-Präsident Wolfgang Ecker, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und IVNÖ-Präsident Thomas Salzer präsentierten am Donnerstag im Landhaus St. Pölten den Startschuss für eine Wirtschaftsvision 2030 für Niederösterreich .
Foto: Norbert Oberndorfer
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Um Niederösterreichs Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, künftige Krisen gut zu meistern und Herausforderungen wie die Öko-Energiewende oder den demographischen Wandel zu stemmen, entwickelt das Land NÖ eine Zukunftsstrategie für den Wirtschaftsstandort Niederösterreich. Im Vergleich mit 63 EU-Regionen, vier Szenarien und der Identifizierung von Leuchtturmprojekten sollen so Wirtschafts- und Landespotentiale gehoben werden, heißt es von Ökonom Christian Helmenstein.

Seit dem Jahr 2020 erforderten Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Energiekrise bis hin zur Teuerung „rasche Antworten“ und eine „anlassbezogene Wirtschaftspolitik“, wie Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner am Donnerstag erklärte. Um Niederösterreich als Wirtschaftsstandort zu attraktivieren, krisenresilienter aufzustellen und Industrie und Wirtschaft im globalen Wettbewerb zu stärken, wird nun ein neuer Strategieprozess ins Leben gerufen. Ziel sei es, für das Bundesland Niederösterreich eine Wirtschaftsvision zu entwickeln, die mehr Wettbewerbsfähigkeit garantiert, „unsere Stärken bis zum Jahr 2030 stärkt und Niederösterreich zu einer der dynamischsten Regionen Europas macht“, so Mikl-Leitner.

In Kooperation mit der Wirtschaftskammer NÖ, der Industriellenvereinigung NÖ und unter Federführung des Economica-Instituts von Christian Helmenstein soll bis Ende September 2023 eine Wirtschaftsstrategie samt Maßnahmenpaket für den Standort Niederösterreich entwickelt werden. In dieser Vision soll jedenfalls jede NÖ-Region mit eingebunden werden und „niemand zurückgelassen werden“, verspricht Mikl-Leitner. „Es geht um die Frage, wie wir es schaffen, in einer globalen Welt wettbewerbsfähig zu bleiben.“

Ecker Mikl-Leitner Salzer
Foto: NLK Burchhart

„Es muss gelingen, mit weniger Ressourceneinsatz mehr an Wirtschaftskraft zu generieren“, gibt Mikl-Leitner als Richtlinie aus. Innovation, Technologieoffenheit, aber auch die Vereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie werden die neue Vision prägen. „Wir wollen das Zentrum für Kreislaufwirtschaft in Europa werden“, sagt Mikl-Leitner. Nachhaltigkeit sei mittlerweile ein wichtiger Bestandteil eines jeden erfolgreichen Geschäftsmodells.

Helmenstein: Zenit überschritten, bester Zeitpunkt für Strategieentwicklung

„Der Zenit der Herausforderungen ist überschritten“, sagt Ökonom Christian Helmenstein mit Blick auf Covid-19, Teuerung und Co. Jetzt sei der Augenblick, um sich strategischen Herausforderungen zu widmen: „Digitalisierung, demographischer Wandel (Pensionierung, Geburtenschwache Jahrgänge) und Green Economy". Eine gute Strukturierung sei das Um und Auf, um exergene Schocks gut zu meistern. „Das gibt auch mehr politischen Handlungsspielraum bei neuen Krisen“, argumentiert Helmenstein.

Christian Helmenstein
Christian Helmenstein vom Economica Institut
Foto: Economica Institut

Konkret soll etwa in einer komplexen Analyse das NÖ-Haushaltseinkommen fiktiv verdoppelt und anhand vier regionalen Entwicklungsszenarien (Arbeitskräftemangel, Überalterung, Arbeitskräfteverfügbarkeit und veränderte Konsumpräferenzen) erprobt werden, ob Niederösterreich die nötigen Ressourcen bzw. Produktion für die veränderte Nachfrage leisten kann bzw. was noch fehlt.

Außerdem wird das Bundesland, um „keine Nabelschau“ zu betreiben, mit 63 ähnlichen gestrickten EU-Regionen wie Deutschland, Italien oder Slowenien - Stichwort: Flächenbundesland rund um einer Metropolregion - verglichen. „Bei Infrastruktur, Digitalisierung, Innovation, Schutz von Wasserresourcen und Bildung etwa sind gut aufgestellt“, stellt Helmenstein bereits jetzt fest. Was die Kostenfaktoren angehe, bei Arbeits-, Energie- bzw. Materialkosten sei der Wirtschaftsstandort hingegen eher „unterdurchschnittlich“.

Ecker: Öko-Energiewende löst 14 Milliarden Euro an Wertschöpfung aus

WKNÖ-Präsident Wolfgang Ecker lobt die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Land NÖ und Kammer seit vielen Jahren. Positiv hebt er die seit Jahren steigende Anzahl bei Lehranfängern hervor. Das sei eine gewichtige Maßnahme gegen den Fachkräftemangel. Negativ sei dagegen, dass es noch nie so viele offenen Stellen gab wie derzeit. „Ab 2040 können gravierende Lücken entstehen: 60.000 Arbeitskräfte fehlen uns. Das kann Niederösterreich einen BRP-Verlust von 7,9 Prozentpunkten einbrocken“, warnt Ecker.

Der WKNÖ-Präsident zeigt sich dennoch optimistisch und hebt die Vielfalt der NÖ-Wirtschaft und des Landes hervor. „Die Regionen sind ein Schatz. Sie haben es sich verdient, gefördert zu werden.“ Als Chance für die Wirtschaft hebt Ecker auch die Ökowende hervor. „Durch die Erneuerbaren-Energieerzeugung und den Netzausbau fließen 14 Milliarden Euro - da steht uns ein großes Feld offen“, so Ecker.

Salzer: Neue Leuchtturmprojekte für Betriebsansiedlungen

IVNÖ-Präsident Thomas Salzer begrüßt im Namen der Industrie den gemeinsamen, traditionellen Strategieprozess mit Land NÖ und Wirtschaftskammer. „Wir haben in den letzten 30 Jahren viel erreicht und eine gute Zukunft vor uns“, ist Salzer überzeugt. Als „nicht kleine Herausforderung“ und „großes Spannungsfeld“ hingegen wertet Salzer die digitale und grüne Transformation und den Arbeitskräftemangel. Dreh und Angelpunkt für die NÖ-Industrie sei jedenfalls die Wettbewerbsfähigkeit - auf den internationalen Märkten. „Die Wettbewerbsfähigkeit ist wichtig, damit wir die Menschen beschäftigen können, gute Löhne und davon eben Steuern zahlen können. Das Geld können wir so der notwendigen Transformation zur Verfügung stellen. Der Staat sind wir ja alle“, sagt Salzer.

Zum Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit brauche es regionale Leuchtturmprojekte wie etwa Wirtschaftscluster und neue Forschungszentren, die die Zukunftsthemen stärken und so Unternehmen zur Ansiedlung zu bringen, so der IVNÖ-Präsident.