Manfred Peter: „Braucht flugfreie Zeit“

Mit der zunehmenden Durchimpfungsrate hofft der Schwechater Flughafen auf einen baldigen Turbinenstart in der Luftfahrt. Doch bis das (Rekord-)Niveau von 2019 wieder erreicht werden kann, wird es wohl noch zwei bis drei Jahre dauern. Doch dorthin wollen nicht alle, allen voran viele lärmgeplagte Anrainer.
Daher wird wohl dem Dialogforum, dem aus dem Mediationsverfahren hervorgegangenen Mediationsverein, eine besondere Rolle zukommen. Davon ist auch der Schwadorfer Manfred Peter im NÖN-Gespräch überzeugt. Er ist Sprecher der im Dialogforum vertretenen und aus mehreren Bürgerinitiativen bestehenden Arbeitsgemeinschaft gegen Fluglärm (ARGE).
NÖN: Eine zentrale Forderung der ARGE war es, dass der Flughafen durch das Luftfahrt-Grounding keinen Nachtflug-Polster anhäuft. Pro Jahr sind maximal 4.683 Flüge zwischen 23.30 und 5.30 Uhr erlaubt, gerechnet wird aber im Fünf-Jahres-Durchschnitt.
Manfred Peter: In diesem Fall gibt es bereits eine Einigung zwischen uns und der Flughafen Wien AG. Ein Ansammeln sieht der (Mediations-)Vertrag nicht vor. Die Zahlen des Fünf-Jahres-Durchschnitts müssen unter dem Deckel von 4.683 Flügen bleiben. Ich bin froh, dass es zu dieser Einigung kam.
Die Nachflüge sind ja generell ein großer Streitpunkt.
Peter: In den Jahren 2017 bis 2019 sind die Beschwerden aus der Bevölkerung gestiegen. Anfang 2020 gab es sogar 1.000 Flüge mehr als 2019. Wir haben im Dialogforum schon vor eineinhalb Jahren einen Antrag gestellt, was man im System verbessern kann. Und hier kommt die Nacht ins Spiel. Schlafstörungen sind ein zunehmendes Thema. Man muss darüber nachdenken, ob die Zeit von 23.30 bis 5.30 Uhr nicht zu kurz ist. Die Nachtflugregel müsste früher beginnen und es sollte eine flugfreie Zeit geben. Ausgenommen sind natürlich Landungen in Notfällen.
Wie sieht für Sie und die ARGE ein Neustart am Flughafen aus?
Peter: Wir wollen ein Handling des wieder erstarkten Flugverkehrs. Spätestens im Herbst sollten wir beginnen. Es wäre genug Zeit, aber die Verhandlungen werden dauern. Wir gestehen dem Flughafen den Sommerurlaubs-Verkehr zu, er soll ja nicht in Konkurs gehen. Man kann aber Schwerpunkte besser verhandeln, wenn man sie noch nicht am Kopf hat.
Am Flughafen wird oft die wirtschaftliche Komponente in den Vordergrund gestellt.
Peter: Den Arbeitgeber-Faktor halte ich für überschätzt. 15.000 Personen sind natürlich nicht nichts, viele kommen aber nicht aus dem direkten Umfeld. Der Flughafen ist aber natürlich ein Wirtschafts- und Tourismusfaktor, wir wollen ihn ja nicht zusperren. Flugzeuge sind für lange Strecke ein zeitsparendes Verkehrsmittel. Aber um der Arbeitsplätze wegen, hat man keinen Flughafen. Alle Verkehrsträger sollten sich die Frage stellen, ob es so weitergehen kann oder sagen, dass dieses Wachstum nicht normal war. Die Massenfliegerei ist ein Phänomen der 1990er-Jahre. Früher sind die Menschen mit dem Auto in den Urlaub gefahren, aber ist das Auto besser?
Der Ursprung des Dialogforums ist die Idee einer dritten Piste. Damit hängen auch Themen wie der Umweltfonds zusammen.
Peter: Für 2020 gab es über den Umweltfonds noch Auszahlungen, jetzt zahlt der Flughafen aber nicht mehr ein. Erst wieder im Fall eines Baubeginns für die dritte Piste. Es werden auch keine Projekte mehr genehmigt. Zentral wäre, wenn der Flughafen sagen würde, welche Parameter es für die dritte Piste genau braucht. Ich reiß mich nicht um sie - sie schafft Belastungen, aber auch Entlastungen etwa für Margarethen, Kleinneusiedl oder Trautmannsdorf. Aber: Die dritte Piste macht ein Kapazitätstor auf. Vielleicht kann der Flughafen ja sagen, er braucht die dritte Piste, schöpft die Kapazität aber nicht aus. Zustände wie in London-Heathrow brauchen wir nicht (Anm.: Am britischen Hauptstadtflughafen gab es 2018 rund 475.000 An- und Abflüge, zum Vergleich: 2019 waren es in Schwechat rund 266.000).
Welchen Stellenwert nimmt das Dialogforum aus Ihrer Sicht ein?
Peter: Das Dialogforum ist ein Unikat - europaweit und vielleicht sogar weltweit. Im Dialogforum gibt es das untergeschrieben Gesetz, dass so lange verhandelt wird, bis eine Einigung erzielt wurde. Das ist manchmal mühsam, bringt aber einen Erfolg. Wir müssen pfleglich damit umgehen, das ist allen bewusst. Wir als ARGE sind seit 20 Jahre, inklusive der fünf Jahre Mediationsverfahren, dabei. Den Bürgerinitiativen sind bereit, sich damit abzufinden, dass nicht 100 Prozent ihrer Ziele erreicht werden können. Aber ein Teil, das gilt auch für den Flughafen. Dieser Bereitschaft zum Kompromiss fehlt manchmal bei anderen Bürgerinitiativen.