LLZT St. Pölten: Bei den Turnern brennt‘s

Erstellt am 01. September 2021 | 03:06
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Das LLZT St. Pölten ist ihr „Baby“. Trotzdem steht die Tullnerbacherin Tina Weinberger in der Kritik.
Foto: NOEN
„Die Lage ist angespannt“, bestätigt SLZ-Koordinator Andreas Worenz. Er muss sich darum kümmern, dass Spitzensportler überhaupt ihre Karrieren fortsetzen können.
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Zwei Wochen vor der Qualifikation zu Kunstturn-WM Mitte Oktober weiß die Böheimkirchnerin Selina Kickinger noch immer nicht, ob sie mit ihrer Trainerin Agnes Hodi weiterhin in der Turnhalle im Sportzentrum NÖ trainieren darf. Die SLZ-Absolventin, die im Frühjahr maturiert hat, gehört dem Nationalteamkader an, sagt aber selbst, „die Fortsetzung meiner Karriere steht in den Sternen!“

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Der Vandalenakt eines brennenden Pauschenpferds (die NÖN berichtete) kennzeichnet die aufgeheizte Stimmung im LLZT St. Pölten. Jetzt soll es als Blumenkiste Frieden stiften.
Foto: privat

„Die Lage im LLZT ist angespannt“, bestätigt Andreas Worenz. Dass er als SLZ-Koordinator in einem Sportverbande, der im SLZ vertreten ist, eingreifen muss, damit Sportler ihre Karriere fortsetzen können, sei neu für ihn. Nicht nur bei Kickinger, auch bei Jeremy Balazs (13) aus Traiskirchen und Miriam Markovic (15) aus St. Andrä habe er vermitteln müssen, um Lösungen in „Härtefällen“ zu finden.

Für die Sommermonate hat Worenz eine Ausnahmegenehmigung für Kickinger erwirkt, um weiterhin in St. Pölten mit Hodi, deren Vertrag vom NÖ Turnverband (NÖTV) als LLZT-Trainerin Ende Juni ausgelaufen ist und nicht verlängert wurde, arbeiten zu können.

Ilse Stöger, Sportabteilungsleiterin im Land NÖ, bestätigt Kickingers altersbedingtes Ausscheiden aus dem SLZ, ist aber überzeugt, dass sie bis zur WM in St. Pölten trainieren kann. „Sie ist jedoch mit dem Schulabschluss keine BORGL-Schülerin mehr“, sieht Stöger daher einen Übertritt ins Bundesleistungszentrum Kunstturnen weiblich in Linz „als sinnvollen weiteren Entwicklungsschritt, da dort seitens des Österreichischen Fachverbands für Turnen (ÖFT) Trainerressourcen für die besten Kunstturnerinnen Österreichs zur Verfügung stehen“.

Doch Kickinger will bei ihrer Trainerin bleiben, mit der sie seit 13 Jahren zusammenarbeitet. Ein Wechsel so kurz vor der WM kommt für sie nicht infrage. Zumal sie in Linz selbst eine Wohnung finanzieren und für ihren Unterhalt sorgen müsste.

Derartige Akzeptanzschwierigkeiten sollten für den ÖFT nicht neu sein. Auch das schon länger existierende Bundesleistungszentrum der Männer in Innsbruck kämpft mit diesen. „Das Vertrauen in die Betreuer ist bei uns wesentlicher Faktor des Erfolgs“, erklärt Kickinger, die mit 19 Jahren die jüngste Kunstturnerin Österreichs auf Topniveau ist. Ihre Mitstreiterinnen sind bereits zwischen 24 und 29 Jahre alt. „Die Zukunft gehört Selina“, ist Hodi daher überzeugt.

Ist LLZT-Koordinatorin an allem Schuld?

Um „der Ignoranz der Führung ein Ende zu setzen“, hat sich der Vater von Miriam Markovic mit Hodi und anderen Eltern zusammengetan. Dem Vorstand um NÖFT-Präsident Wolfgang Lehner wurden demnach „schwere problematische Handlungen“ mitgeteilt, diese seien aber nicht ernst genommen worden. Danach habe man sich an Ilse Stöger gewandt, sowie den ÖFT, um eine Verbesserung im Sinne der Jugendlichen zu erreichen.

Stöger bestätigt den Gesprächstermin. „Mit dem NÖFT-Präsidium wurde danach vereinbart, dass eine Zwischenevaluierung des LLZT in Hinblick auf die zukünftige Ausrichtung erfolgen soll“, sagt sie.

„Fall Markovic“: Der Gipfel der Eskalation

Der Fachverband, also der NÖFT-Vorstand hat Miriam Markovic mit 30. Juni aus dem LLZT ausgeschlossen. Gegen Weinbergers Aussage in der NÖN vom 14. Juli wegen der „fehlenden Trainierbarkeit“ will Vater Markovic auf Unterlassung klagen.

Laut Weinberger „schwelte das Thema Markovic“ seit das Talent (zahlreiche Stockerlplätze bei Titelkämpfen), im ersten Lockdown in die Bulimie gerutscht sei. Um sie selbst und die Trainer zu schützen, sei um eine ärztliche Bestätigung gebeten worden, „damit wir die Sicherheit haben, dass sie trainierbar ist“. Und: „Miriam wurde nach Gewichtszunahme mit ärztlichem Attest wieder ins Training geschickt.“

Als Nächstes habe sie sich eine Privattrainerin (Hodi) gewünscht, was der NÖFT ablehnte. Stattdessen wurde Markovic aus dem LLZT geworfen. Nach Intervention von Worenz fand Markovic Aufnahme im Bundesleistungszentrum in Linz, wo sie jetzt beweisen kann, trainierbar zu sein.

Dramatisch gestalteten sich auch die Abgänge von Balazs und Vorlaufer. Die Eltern hinterfragen ebenfalls die Besetzung einer Person als NÖFT-Vorstandsmitglied (Finanzreferentin), organisatorische Leiterin des LLZT, Trainerverantwortliche, einzige Informationsdrehscheibe und selbst Mutter von zwei Jugendlichen im LLZT.

Bei der Generalversammlung der Union St. Pölten steht Weinberger am Wahlvorschlag zudem als neue Vizepräsidentin des Vereins, der 90 Prozent der Kinder im LLZT stellt. Der scheidende Präsident Karl Preiss lobt Weinbergers Arbeit: „Sie hat bei uns Kunstturnen wiederbelebt.“

Eine Aussage, die Hodi nach dem Abgang aller Toptalente erstaunt. „Ja, man hat auch ohne mich ein gutes Trainerteam, aber wen betreuen die jetzt?“

Dass Weinberger in anonymen Postings bedroht wurde, bestärkt Preiss jedoch. „Jetzt erst recht“, werde Weinberger Vize-Präsidentin. Das Fake-Profil eines „Hass-Postings“ sei nach dem NÖN-Artikel mit dem Vandalismus verschwunden, erklärt Weinberger, die aber trotzdem auf Herausgabe des Urhebers bei Facebook klagen wird.

Kickinger ist die Streitereien leid. „Ich will nur meinen Sport ausüben, ohne von Kindereien gestört zu werden!“ Kindereien, wie das Verstecken des Magnesiums in der Trainingshalle oder das Überreichen eines zu kleinen Trainingsanzugs beim Aufwärmen zur Staatsmeisterschaft. Wahrscheinlich nur ein dummer Fehler Weinbergers, für Hodi aber der Grund, dass ihre Athletin die erste Übung verhaut hat. „Wenn ein Sportler glaubt, dass so was Absicht sein kann, lässt das tief blicken“, sagt Hodi.

Dass zwischen Wettkampf und Siegerehrung, statt zur Medaille zu gratulieren, von Präsident Lehner noch bekannt gegeben wurde, dass Hodis Vertrag nicht verlängert wird, zeige den Charakter der NÖFT-Funktionäre.