NS-Gedenken: „Nie ich? Nie hier? Nie jetzt?“

Der Blick auf die Halle selbst ist durch Bäume, Sträucher und Zäune verdeckt. Doch das Denkmal davor ist unübersehbar:
„Immer irgendwo!
Immer irgendwer!
Immer irgendwann!
Nie ich?
Nie hier?
Nie jetzt?“
Die rote Tafel erinnert daran, dass sich hier, wo heute die Autos in der Pottendorfer Straße vorbeirauschen, vor bald 80 Jahren eine der rund 40 Außenstellen des Konzentrationslagers Mauthausen befand.
Bis zu 1.600 KZ-Häftlinge und Kriegsgefangene mussten hier von 1943 bis 1945 unter unmenschlichen Bedingungen für die Kriegsindustrie arbeiten, hauptsächlich Raketen wurden in der „Serbenhalle“ hergestellt.
„Das besondere an der Serbenhalle ist, dass sie ein Raubgut der Wehrmacht ist“, sagt Historiker Michael Rosecker, Vorsitzender des Mauthausen Komitees Wiener Neustadt, im Gespräch mit der NÖN. Die Halle wurde in der serbischen Stadt Kraljevo abgebaut und in Wiener Neustadt am Areal der ehemaligen Lokomotivfabrik wieder aufgebaut.
„In Kraljevo wurden im Oktober 1941 von der Deutschen Wehrmacht 1.736 wahllos gefangen genommene Einwohner im Zuge von ,Vergeltungsmaßnahmen‘ für Partisanenaktivitäten ermordet. Mit diesem Verbrechen einerseits und der Zwangsarbeit in Wiener Neustadt andererseits stellt die Serbenhalle die doppelte Repräsentanz der Zwangs- und Gewaltmaßnahmen des NS-Regimes dar“, so Rosecker.
Für die Gedenkpolitik sei die Halle nicht zuletzt aufgrund ihrer Größe (300 Meter lang, 70 Meter breit, 30 Meter hoch) spannend, sagt Rosecker: „Die Halle hatte eine recht dominante Erscheinung in der Stadt. Dennoch wurde das Geschehene relativ stark verdrängt. Es hat lange gedauert, bis es möglich wurde, ein Denkmal und damit einen Gedenkort zu schaffen.“
Im Jahr 2005 wurde das Denkmal durch das Mauthausen Komitee Wiener Neustadt und den Verein „Alltag Verlag“ realisiert. Das Konzept stammt von Künstler Markus Grabenwöger und Historiker Michael Rosecker und „spielt mit dem Thema der Leuchtreklame“, so Rosecker, „mit der Spannung zwischen der riesengroßen Halle und dem nicht ahnen Können, was dort passiert ist.“
Gedenken an jüdische Zwangsarbeiter
Dem Verfall überlassen ist mittlerweile die „Engelmühle“ (benannt nach dem ehemaligen Bürgermeister Julius Engel) in Felixdorf, die sich heute in Privatbesitz befindet. In den letzten Kriegsmonaten, von Ende 1944 bis April 1945, wurde das Mühlenareal als Behausung für 2.000 jüdische Zwangsarbeiter aus Ungarn genutzt. Nur rund hundert von ihnen überlebten, mehr als 1.800 starben in Folge von Kälte, Krankheiten, Unterernährung und den schlimmen hygienischen Bedingungen.
Ein Zugang zur „Engelmühle“ ist nicht möglich. Die Gemeinde hat vor zehn Jahren eine Gedenktafel am jüdischen Teil des Friedhofs aufgestellt, wo viele der Zwangsarbeiter begraben wurden. „Jedes Jahr an Allerheiligen wird ein Kranz niedergelegt, um den Verstorbenen zu gedenken“, sagt Bürgermeister Walter Kahrer (SPÖ) zur NÖN.
Ein Gedenkstein am Johann Löchinger-Platz erinnert seit den 1970er-Jahren auch in Lichtenwörth an die Opfer der NS-Zwangsarbeit: Rund 2.500 ungarische Juden – vor allem Frauen – wurden Ende 1944 in den Werkshallen der damaligen Firmen Rothmüller-Mewa und Römert & Co. einquartiert. „Sie haben auf dem Boden geschlafen, es waren katastrophale Zustände“, so Robert Bachtrögl, Leiter des Nadelburg-Museums, zur NÖN. 300 der Insassen des Anhaltelagers starben an Unterernährung und Typhus.