Debatte um Abriegelung: Schneeberger schreibt Anschober

Erstellt am 05. März 2021 | 09:56
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Offener Brief
Bürgermeister Klaus Schneeberger (ÖVP), Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne)
Foto: APA
Der Bürgermeister verweist auf die bisherigen Maßnahmen der Stadt - und ersucht den Gesundheitsminister, in der Diskussion um eine mögliche Abriegelung Wiener Neustadts "den Unterschied zwischen einem ländlichen Bezirk und einer urbanen Stadt zu berücksichtigen".
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Mit 309 aktuell mit dem Coronavirus infizierten Personen hat Wiener Neustadt am Donnerstag einen neuen Höchstwert erreicht. Der Wert der 7-Tages-Inzidenz pro 100.000 Einwohner ist weiter geklettert - auf mittlerweile 488.

Die Debatte um eine mögliche Abriegelung der Stadt reißt damit nicht ab: Wie berichtet, hat Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) angekündigt, dass für Bezirke mit einer 7-Tages-Inzidenz über 400 demnächst verordnet werden soll, dass man sie nur noch mit einem aktuellen negativen Corona-Test verlassen darf. In Radstadt und Bad Hofgastein ist heute, Freitag, eine solche Ausreisebeschränkung in Kraft getreten.

Wann eine derartige Regelung für Wiener Neustadt kommen könnte, ist noch offen. Bürgermeister Klaus Schneeberger (ÖVP) hat sich am Freitag in einem offenen Brief an Gesundheitsminister Anschober gewandt - darin führt Schneeberger die bisherigen Maßnahmen der Stadt, u.a. das umfangreiche Test-Angebot, an und verweist auch auf den vorgezogenen Start der Impfstraße in der Arena Nova. 

Schneeberger ersucht Anschober weiters, bei den Überlegungen zu einer Abriegelung "den Unterschied zwischen einem ländlichen Bezirk und einer urbanen Stadt zu berücksichtigen". "Als mit dem Vollzug betraute Behörde" würde er, Schneeberger, zwar "selbstverständlich alle Maßnahmen umsetzen und mittragen, die zu einem Sinken der Covid19-Infektionen führen". Eine Abriegelung sei in Neustadt jedoch nur schwer machbar - und würde personelle Unterstützung durch das Innenministerium erfordern.

Der Brief im Wortlaut

Der offene Brief von Bürgermeister Klaus Schneeberger im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Bundesminister!

Bezugnehmend auf Ihr Vorhaben, Menschen aus Bezirken mit einer Inzidenz über 400 nur mit einem negativen Covid-Testergebnis ausreisen zu lassen, wende ich mich auf diesem Wege an Sie.

Zunächst erlaube ich mir, Sie über die bereits in Wiener Neustadt gesetzten Maßnahmen zu informieren: Wir haben seit Anbeginn alle Maßnahmen der Bundesregierung auf Punkt und Beistrich übererfüllt. Wir testen in 16 Teststraßen. Zählt man die Apotheken dazu, testen wir zwischen 12.000 und 13.000 Personen pro Woche, täglich außer Sonntag. Seit dem 27. Jänner haben wir bereits über 43.000 Tests durchgeführt. Wir haben das Gesundheitsamt von 6 auf 47 Personen aufgestockt. Dadurch ist unser Contact Tracing trotz der hohen Fallzahlen tagesaktuell. Bezugnehmend auf Ihre heutigen Aussagen erlaube ich mir jedoch anzumerken, dass das lückenlose Contact Tracing aktuell nicht am fehlenden Personal scheitert. Viel mehr am Umstand, dass die Auskunftsbereitschaft der Covid-positiven Personen stark nachgelassen hat. Dies ist wohl darin begründet, dass durch die nicht geöffnete Gastronomie, Treffen im Privatbereich stattfinden und sich niemand durch Aussagen strafbar machen möchte.

Nach dem sprunghaften Anstieg der Inzidenz auf über 400, haben wir für die nächsten Tage mit Unterstützung des Landes Niederösterreich vier mobile Drive-Ins auf den Haupteinfahrtsstraßen und ab morgen eine mobile Teststation vor dem Bahnhof positioniert. Darüber hinaus werden über die „Covid Fighters“ alle Schülerinnen und Schüler der Stadt (das sind mehr als 12.000) getestet. Laufend finden Kontrollen der Gesundheitsbehörde mit der Exekutive statt.

Nun zu Ihrem Vorhaben: Als mit dem Vollzug betraute Gesundheitsbehörde habe ich Ihre Verordnungen eins zu eins umzusetzen. Daher muss ich Sie darüber informieren, dass in einer Stadt mit 50.000 Bewohnerinnen und Bewohnern, täglich 21.000 Aus- und 20.600 Einpendlern, 15.000 Passagieren des Öffentlichen Nahverkehrs, einer Hauptdurchzugsstraße mit 28.000 KFZ und als Verkehrsknotenpunkt für die gesamte Region diese Maßnahme ohne zur Verfügung Stellung von ausreichend zusätzlichem Personal nicht durchführbar ist. Aus dem Personalstand des Magistrats sehe ich mich außer Stande dieses für die Kontrollen aufzustellen. Es wäre also notwendig, dass Ihr Ministerium über das Innenministerium ausreichend Kräfte zur Verfügung stellt.

Lassen Sie mich betonen, dass ich selbstverständlich alle Maßnahmen umsetze und mittrage, die zu einem Sinken der Covid19-Infektionen führen. Ich ersuche aber Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, alle meine genannten Argumente nochmals ins Kalkül zu ziehen und den Unterschied zwischen einem ländlichen Bezirk und einer urbanen Stadt zu berücksichtigen. Als mit dem Vollzug beauftragte Behörde bitte ich Sie daher um eine in der Praxis vollziehbare Verordnung oder andernfalls um die zur Verfügung Stellung des notwendigen Personals.

Abschließend darf ich darauf hinweisen, dass ich davon ausgehe, dass der effizienteste Weg eine rasche Durchimpfung der Bevölkerung darstellt. Ab 16. März haben wir Teststraßen in der Arena Nova eingerichtet. Wenn uns aufgrund der herausfordernden Situation durch Ihr Ministerium ausreichend Impfstoff für die gesamte Bevölkerung zur Verfügung gestellt wird, können wir umgehend impfen.

Beste Grüße
Mag. Klaus Schneeberger

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