Manfred Jäger: „Haben Auftrag, Artenvielfalt zu erhalten“

NÖN: Am 14. März wurde die zweite Wolfsverordnung des Landes NÖ von der Landesregierung beschlossen. Dürfen die Jäger jetzt nach Belieben Wölfe schießen? Manfred Jäger: Nein, das dürfen und wollen wir auch nicht. Für den Abschuss von Wölfen gibt es ganz klare Kriterien. Wir haben in Niederösterreich eine 1. Wolfsverordnung, die ist nach wie vor aktiv. Darauffolgend wurde jetzt diese zweite Verordnung gesetzt. Kurz gefasst bedeutet das, dass die Jägerschaft mehr in die Verantwortung eingebunden wurde und nun rascher in beunruhigenden Situationen mit dem Wolf reagieren kann. Wir reden immer nur von definierten Problemwölfen und nicht von Wölfen, die sich im Wald und ihrem Lebensraum normal verhalten.
Wenn also Wölfe viele Rehe reißen, dann ist das kein Grund, einen Wolf zu entnehmen? Jäger: Ja richtig. In dieser zweiten Wolfsverordnung geht es um die öffentliche Sicherheit zum Schutz der Bevölkerung und zur Vermeidung von erheblichen Schäden an Nutztierbeständen. Wir sprechen hier ausschließlich von auffälligen Wölfen, von Problemwölfen, die verbauten Gebieten zu nahe kommen und Schaden durch zum Beispiel wiederholte Risse an sachgerecht geschützten Schafherden verursachen.
Um Problemwölfe zu identifizieren, ist auch die Bevölkerung notwendig, um Sichtungen und Begegnungen zu melden. Wem meldet man diese? Manfred Jäger: Für die Meldungen aus der Bevölkerung gibt es mehrere Schienen. Zuerst möchte ich aber darauf hinweisen, dass es sich dabei um Meldungen von Situationen handelt, wenn sich der Wolf im verbauten Gebiet befindet und vor dem Menschen trotz Vertreibens etwa mit Klatschen, Rufen und Verscheuchen nicht flüchtet. Wenn ein Spaziergänger auf 300 Meter im Wald den Verdacht hat, er sehe einen Wolf, dann ist das damit nicht gemeint. Wenn es beunruhigende Begegnungen mit dem Wolf oder Sichtungen in der Nähe von Häusern und Gehöften sind, dann sollen die Bewohner den direkten Kontakt zum Jäger suchen, den die meisten in diesen Regionen ohnehin kennen. Man kann sich natürlich immer an die Polizei wenden oder direkt an die Bezirkshauptmannschaft telefonisch oder online an die Wildtierinfo des Landes NÖ.
Gilt das auch für Streusiedlungen? Wenn ein Wolf ums Haus streift, so wie es vom Langschlägerwald erzählt wird? Jäger: Ja genau. Diese Schafrisse durch Wölfe sind erhebliche Schäden. Allerdings müssen die Weidetiere sachgerecht geschützt sein, damit die Wolfsverordnung anwendbar ist. Die Verordnung spricht aber von Vergrämung und Entnahme durch den Jäger erst – das möchte ich betonen – bei Wiederholvorgängen unter bestimmten Voraussetzungen. Ein einfaches Beispiel: In einer Streusiedlung taucht der Wolf in der Nähe von Menschen auf. Wichtig ist da auch der Zeitpunkt. Laut Verordnung gilt hierbei die Aktivitätszeit des Menschen von 6 bis 22 Uhr und ein Abstand von unter 100 Metern in Siedlungen. Erst wenn sich das dann zwei- bis dreimal wiederholt, dann ist das eindeutig ein Vergrämungsgrund durch den Jäger.
Es dürfen also erst nach mehreren bedrohlichen Wolfs-Vorfällen Warnschüsse abgegeben werden? Jäger: Richtig. Und wenn dieses Vergrämen mit Warnschuss nicht fruchtet, und der Wolf betreibt das weiter, dann kommen wir in die Phase der Entnahme. Dazu muss man sagen, dass es für diese Vorgehensweise einen eindeutig strukturierten Stufenplan gibt, sodass diese beiden Maßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen wirksam werden. Die Vorgehensweise muss ganz klar und deutlich dokumentiert sein und wird auf keinen Fall willkürlich von der Jägerschaft ausgeführt. Die Bevölkerung darf jetzt nicht glauben, da sind die Jäger, die jetzt auch Wölfe schießen. Wenn die Wölfe nicht auffällig sind, dann ist der Wolf für den Abschuss für uns Jäger absolut tabu. Das ist auch nicht der Zugang der Jägerschaft, die Wölfe zu schießen oder gar auszurotten, absolut nicht.
Muss sich der Mensch grundsätzlich vor dem Wolf fürchten? Kann er uns gefährlich werden? Jäger: Der Wolf ist grundsätzlich sehr scheu, er lotet aus und schaut sich aus der Ferne die Situation an und wird dabei immer frecher. Diese Situation kommt daher, da er bei uns nicht bejagt wird und er den Menschen nicht als Feind empfindet. Dadurch sinkt auch die Scheu vor dem Menschen. Der Mensch fällt nicht in das Beutespektrum vom Wolf. Wir können natürlich auch nicht ausschließen, dass es durch besondere Zufälle zu Situationen kommt, die unerwünscht sind. Das kann man aber bei einem Wildschwein auch nicht ausschließen. Etwa bei einer Bache, die ihre Frischlinge verteidigt. Was wir natürlich auch nicht ausschließen können, ist, dass etwa ein verletzter oder kranker Wolf verändert reagieren kann, wie das etwa bei tollwütigen Tieren vorkommt.
Könnte es sein, dass Wölfe durch Warnschüsse des Jägers lernen, sich vom Menschen fernzuhalten? Jäger: Ja, das sollte so sein, dass der Wolf sein auffälliges Verhalten ablegt und sich zurückzieht – am besten dauerhaft zurückzieht. Und nur, wenn die Vergrämungsmaßnahme nachweislich keinen Erfolg bringt, darf der Jäger entscheiden, den Wolf zu schießen. Jeder vorangegangene Vergrämungsakt wird selbstverständlich der Behörde gemeldet, ein möglicher Abschuss ebenso.
Falls nun ein Wolf entnommen werden muss, wird dieser dann beim Haus, wo er gesichtet wird, erlegt? Jäger: Nein, nur dort, wo laut NÖ Jagdgesetz die Jagd erlaubt ist, darf der Jäger schießen. Das heißt, die Jagd ist im bebauten Gebiet nicht erlaubt.
Erwischt der Jäger dann auch den richtigen Wolf, denjenigen, der auffällig war? Jäger: Wenn überhaupt – dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es sich um den auffällig gewordenen Wolf handelt.
Bekommt die Jägerschaft jetzt Druck durch die verängstigten Anwohner einerseits, und andererseits durch Wolfschützer? Das klingt nach Konflikt. Jäger: Das Ziel ist der Schutz der Zivilbevölkerung sowie erhebliche Schäden an Viehbeständen abzuwenden. Wir haben mit der neuen Verordnung einen eindeutigen, bis zum letzten Detail formulierten Verfahrensplan, der von der Jägerschaft verordnungskonform umgesetzt wird. Da wir immer wieder mit verschiedenen Interessenskonflikten konfrontiert sind (Wildschaden, Wald-Wild usw.) versuchen wir, sachlich mit derartigen Situationen umzugehen. Unser gesetzlicher Auftrag ist es, die Artenvielfalt zu erhalten. Deshalb stehen wir auch zum Wolf überall dort, wo es geeignete Lebensräume für ihn gibt.
Wölfe wird es weiterhin bei uns geben. Welches Verhalten raten Sie uns jetzt im Wald? Jäger: Grundsätzlich mit offenen Augen und Ohren durch den Wald gehen. Es ist nicht so, dass man Angst haben muss. Wölfe sind eigentlich scheu, und ein unauffälliger Wolf wird sich kaum dem Menschen nähern, wenn doch, verweise ich auf das Verscheuchen des Tieres wie bereits erwähnt.